Von: Franziska Gerneth
In den 1990er-Jahren war „asiatisches Essen“ in Ostdeutschland meist gleichbedeutend mit gebratenen Nudeln vom „Chinesen“. Auch Hien-Mai Vus Familie passte sich dieser Erwartung an: Ihr Vater, ein ehemaliger vietnamesischer Vertragsarbeiter, eröffnete nach der Wende einen Imbiss in Leipzig – zunächst mit vietnamesischem Namen und Gerichten. Durch eine Umbenennung und dem Wechsel auf vermeintlich „chinesische“ Speisen wurde das Geschäft erfolgreich.
Mais Vater war in den 1980er-Jahren als vietnamesischer Vertragsarbeiter in die DDR gekommen. Solche Verträge waren Teil von Abkommen mit sozialistischen Bruderstaaten: Um dem damals herrschenden Fachkräftemangel zu begegnen, wurden Arbeiter*innen aus Ländern wie Mosambik, Kuba und Vietnam angeworben. Sie lebten oft in Wohnheimen und sollten nach Vertragsende in ihre Heimat zurückkehren. Um nach dem Mauerfall in Deutschland bleiben zu können, eröffnete Mais Vater seinen eigenen Imbiss in Leipzig – das Kochen brachte er sich selbst bei.
Wie rund 60.000 weitere Vietnames*innen stand er nach 1989 vor dem Nichts: Über Nacht brachen die Arbeitsverträge weg, viele verloren ihre Wohnheimplätze und ihr Aufenthaltsrecht war unklar. Ein Teil der Vertragsarbeiter*innen kehrte in ihre Heimat zurück, andere versuchten, sich mit kleinen Geschäften ein neues Leben aufzubauen. So entstanden in dieser Zeit zahlreiche Reisebüros, Blumenläden – und eben auch die Imbisse, die das Bild vieler ostdeutscher Städte bis heute prägen.
Doch die meisten Deutschen kannten eigentlich nur die chinesische Küche. Außerdem, so Mai, hatte vietnamesisches Essen in der Wahrnehmung vieler Ostdeutscher einen schlechten Ruf und galt als unhygienisch – ein Vorurteil, das mit den überfüllten Wohnheimen der Vertragsarbeiter*innen verknüpft war. Als Mais Vater kurzerhand den Namen des Imbiss in einen chinesischen änderte und die Speisen anpasste, kam plötzlich auch viel mehr Kundschaft. Um authentischer zu wirken, erzählte er sogar manchmal, die Familie habe chinesische Wurzeln.
Für Mai und ihre Schwester verbinden sich mit diesen Jahren Gerüche von gebratenen Eiernudeln, aber auch Erinnerungen an ein Aufwachsen zwischen Plattenbau und Parkplatz.
Unter der Woche brachte ein Nachbar den Mädchen das Essen aus dem Imbiss zu Hause vorbei. Am Wochenende verwandelte sich der Baumarktparkplatz, auf dem der Imbisswagen stand, in eine Art Ersatz-Schrebergarten: Mai lernte dort Fahrradfahren, spielte mit ihrer Schwester auf Schiebewägen, im Sommer wurde oft gegrillt. Der Imbiss wurde für die Familie zum Treffpunkt.
Diese Erfahrungen prägen Mai bis heute – sie möchte die Geschichte ihrer Eltern festhalten und sichtbar machen. Ihre Eltern haben ihr durch harte Arbeit ihr Studium ermöglicht. Heute ist Mai Grafikerin und Illustratorin. In ihrer Arbeit beschäftigt sie sich auch mit intersektionalen Narrativen und der vietnamesisch-deutschen Geschichte. Ihr Projekt Mai Asia Imbiss widmet sich den Erinnerungen an ihre Eltern – und der Geschichte des gleichnamigen Imbisses, der eng mit den Umbrüchen der Wendezeit verbunden ist. Als Nächstes will Mai das Buch auf Vietnamesisch übersetzen, um den Zugang zu erleichtern. Und um es ihren Eltern zeigen zu können.
2
servings2 Eier
1 Prise Salz
1 EL Wasser
1 TL Sesamöl
1 EL helle Sojasauce
1 TL dunkle Sojasauce
1 EL Austernsauce (oder vegetarische Pilzsauce als Alternative)
1 Prise frisch gemahlener schwarzer Pfeffer
2 EL neutrales Pflanzenöl (z. B. Rapsöl)
1 Frühlingszwiebel, in Ringe geschnitten (weißer und grüner Teil getrennt)
2 Knoblauchzehen, in Scheiben
Frische Chili nach Geschmack
1 Kopf Pak Choi, in Streifen geschnitten (oder anderes grünes Gemüse, siehe Hinweis)
80 g Sojasprossen (ca. 1½ Tassen)
400 g gebratene Chow-Mein-Nudeln oder chinesische Eiernudeln