DDR-Curry: Mangel macht erfinderisch
Von: Franziska Gerneth
In der DDR waren exotische Zutaten und Gewürze wie Ingwer, Cashews oder Currypulver oft schwer aufzutreiben. Doch mit Kreativität, den richtigen Kontakten und einer Prise Improvisation brachte Ursula Winnington, Lilly Böhms Oma, ein Stück Weltküche auf die Teller der Ostdeutschen.
Hühnercurry ist so ein Gericht, das Lilly Böhm sofort einfällt, wenn sie an ihre Oma denkt. Und das obwohl in der DDR besonders exotische Zutaten Mangelware waren: Frischer Ingwer und Cashewkerne waren schwer erhältlich, das Currypulver musste erstmal aufgepeppt werden.
Über Jahrzehnte hinweg war die Lebensmittelversorgung Ostdeutschlands oft knapp und unzuverlässig. Was wohl zur größten Unzufriedenheit führte, war die Knappheit an Kaffee. Aber auch Obst und Gemüse, das in der DDR nicht angebaut werden konnte, war Mangelware. So waren Orangen und andere Südfrüchte zum Beispiel kaum oder nur zu hohen Preisen zu bekommen.
Der Plan der SED-Führung: Vor allem auf heimische Produkte setzen und so unabhängig vom Ausland produzieren. Wer ausgefallen kochen wollte, musste kreativ sein, improvisieren und mit dem arbeiten, was da war.
Und so landete das Curry zusammen mit Linsen-Dal, Reis mit Rosinen und Mandeln, selbstgemachte Chutneys und Joghurt mit Minze trotzdem auf dem Tisch.
Dass Ursula Winnington internationale Küche so authentisch auf DDR-Tische bringen konnte, lag nicht zuletzt an ihrer Ehe mit dem britischen Journalisten Alan Winnington. Durch ihn hatte sie die Möglichkeit, Länder zu bereisen, die für die meisten DDR-Bürger*innen unerreichbar waren – darunter Korea, China, Italien, Frankreich, England und Indien. In Indien war es auch, wo sie Linsen-Dal und Hühnercurry für sich entdeckte – Gerichte, die in der DDR noch weitgehend unbekannt waren.
Mit Kreativität und Improvisation zauberte sie daraus Rezepte, die auch mit den in der DDR-erhältlichen Zutaten funktionierten: Statt Cashews nahm sie Mandeln, statt frischem Ingwer eingelegten Ingwer aus dem Reformhaus.
Ursula Winnington war aber nicht nur Köchin, sondern auch gefragte Autorin: Über 1.250 Rezepte veröffentlichte sie, schrieb Kolumnen und Rezepte für Magazine wie „Das Magazin“, „Guter Rat“ oder die „Sibylle“ und war sogar in Kochshows zu sehen. Und auf die Frage eines westdeutschen Lesers, wie man in der DDR überhaupt so kochen konnte, stellte sie klar: „Es gab Fleisch, Geflügel, Fisch, Gemüse und Wein – wenn man damit nicht kochen kann, dann kann man nicht kochen!“
Mit der Wende und dem Fall der Mauer verschwand nicht nur die DDR – auch Ursula Winnington verlor ihre Bühne: Ostdeutsche entdeckten neue Kochbücher, im Westen fehlte die Neugier auf DDR-Rezepte.
Trotzdem lebt heute ihre legendäre Kolumne „Liebe, Phantasie und Kochkunst“ bei ihrer Enkelin Lilly Böhm in der Zeitschrift Das Magazin weiter – ein Stück kulinarische Erinnerung daran, dass man auch mit den in der DDR verfügbaren Zutaten fantastische Gerichte auf den Tisch bringen konnte.
4
servings1,5 kg Brathähnchen (oder veganer Hähnchenersatz)
je 50g Butter und Bratöl
4 Zwiebeln
2 EL fertige DDR-Currymischung
1 TL Ingwerpulver oder 2 Ingwer in Zuckersirup
je 1 TL Kurkuma und Kardamom
8 TL Nelken
1 EL gemahlener Mohn
2 EL gemahlene Mandeln
1 L Brühe
1⁄2 -1 TL Chili
Salz